Hier mal ein netter Artiekl zum Thema Vorschriften und deren Interpretation...
ZitatWanderung zum Ende des Bahnsteigs 2
VON HELMUT DAWAL, 21.01.11, 20:05h, aktualisiert 21.01.11, 20:50h
KÖTHEN/MZ. Fahrgäste der Regionalbahn Köthen-Aschersleben hatten es in den vergangenen Tagen ziemlich beschwerlich. Der Zug fährt auf dem Bahnsteig 2 ab. Um jedoch einsteigen zu können, mussten die Reisenden quasi eine Wanderung auf sich nehmen. Denn der Triebwagen hielt nicht mehr an gewohnter Stelle unter dem schützenden Bahnsteigdach in der Nähe der Treppe. Vielmehr rollte er ein Stück weit in Richtung Bernburg und stoppte am äußersten Ende des Bahnsteiges, genau dort, wo sich ein schwarz-weißes Schild mit einem "H" drauf befindet. Auch MZ-Leser Uli Goßrau aus Köthen musste kürzlich diesen weiten Anmarschweg nehmen und empfand ihn als Zumutung. "Ich stand mit weiteren Reisenden auf dem Bahnsteig. Der Triebwagen kam fünf Minuten früher aus Dessau angefahren. Alle freuten sich, dass der Zug pünktlich ist", schilderte Uli Goßrau sein Bahnerlebnis der besonderen Art. "Doch der Triebwagen zuckelte langsam an uns vorbei. Wir alle machten ziemlich dumme Gesichter", so der Köthener. Bei einigen Reisenden seien schon leise Zweifel aufgekommen, vielleicht war es ja ein Sonderzug und nicht der reguläre. Dann aber habe der Triebwagen am Bahnsteig-Ende gehalten, Leute seien ausgestiegen. "Das war für uns das Zeichen, dass es doch der reguläre Zug ist. Wir machten uns dann murrend auf den langen Weg. Der ist noch ein ganzes Stück gepflastert und besteht am Ende aus blankem Rasen", berichtete Goßrau. Eine Durchsage aus dem Lautsprecher, dass die Fahrgäste bis zum Bahnsteig-Ende gehen sollen, habe es nicht gegeben. "Das ist doch ein großer Witz", fand er. Allerdings auch ein ärgerlicher. Der Köthener denkt vor allem an ältere Menschen oder Mütter mit Kinderwagen. Für sie sei der lange Weg besonders beschwerlich,
Den Führer des Triebwagens brauchte allerdings niemand zur Rede stellen. Der ging nach Uli Goßraus Schilderung von sich aus in die Offensive. "Er kam aus dem Zug raus und erklärte uns, dass er sich an die Vorschriften halten muss. Was bedeutet, dass er erst an dem ,H'-Schild anhalten darf." Der Triebwagenführer habe Zettel verteilt, auf denen eine Servicenummer der Bahn vermerkt war. Dort sollten sich die Fahrgäste beschweren. Der Lokführer erzählte, dass er und seine Kollegen an übergeordneter Stelle darauf hingewiesen hätten, dass die Vorschrift für den Köthener Bahnsteig 2 kundenunfreundlich sei. "Aber auf uns hört ja niemand", soll der Lokführer gegenüber den Fahrgästen gesagt haben.
Uli Goßrau rief dann bei besagter Servicenummer an und fand bestätigt, was der Lokführer gesagt hatte. Das Problem sei bekannt, zuständig dafür sei aber die Deutsche Bahn Netz AG, die Situation könne noch längere Zeit andauern, erfuhr der Köthener. Er wandte sich daraufhin an die MZ. Am Donnerstagabend schickte dann die Pressestelle der Deutschen Bahn AG auf MZ-Anfrage eine Stellungnahme.
"Die von Ihnen geschilderten Probleme sind uns bekannt und wir bedauern die momentanen Einschränkungen für unsere Fahrgäste", heißt es darin. " Seien Sie versichert, dass es nicht in unserer Absicht steht, unsere Kunden zu ärgern. Die augenblickliche Situation ist einer neuerdings verschärften Auslegung des betrieblichen Regelwerks durch die staatliche Aufsichtsbehörde Eisenbahnbundesamt (EBA) geschuldet. Sie fordert, dass bei Vorhandensein einer so genannten H-Tafel mit haltenden Zügen bis zu dieser gefahren werden muss. Für jedes Nichteinhalten dieser Vorgabe ist uns ein Bußgeld angedroht. Wir sahen uns daher gezwungen, unsere Triebfahrzeugführer zur Einhaltung anzuweisen. In einigen Fällen führt das zu kundenunfreundlichen Halteplätzen wie z. B. in Köthen am Gleis 2. Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden der EBA-Sichtweise Kontakt zum Betreiber der Schieneninfrastruktur, der DB Netz AG, aufgenommen und um Änderung der Standorte der H-Tafeln gebeten. Die DB Netz AG wird dieser Bitte nachkommen und die H-Tafeln bis zum 31. Januar versetzen. Bis dahin müssen wir Sie leider um Verständnis für unsere Situation bitten. Für den eingeschränkten Reisekomfort möchten wir uns bei unseren Reisenden entschuldigen", wird in der Mitteilung ausgeführt.
Noch steht das "H"-Schild auf dem Bahnsteig 2 am Ende des Bahnsteiges. Doch die Situation hat sich auch ohne Umsetzung dieses Schildes zugunsten der Fahrgäste geändert. Die MZ schaute sich am Dienstagnachmittag um und stellte zumindest bei den Zügen um 13.35 und 15.35 Uhr fest, dass die Triebwagen wieder an normaler Stelle halten.
Da fragt man sich glatt ob es nicht wichtigere Sachen beim EBA gibt... Zumal die H-Tafel-Problematik an anderen Bahnhöfen ähnlich vorhanden ist, aber kein derartiges Theater abgezogen wird...
Zitat von Friedrich LöweNur als Ergänzung: Der Standort der bösen H-Tafel hat sich entgegen der Versprechen der DB nicht verändert.
Weiß denn wer, ob er nun, nach einem guten halben Jahr, verändert ist?
Und: kann man da nicht differenzierte H-Tafeln aufstellen? Ich kenne das noch so, daß es nach Anzahl der Achsen geht, da steht dann z.B. eine mit dem Zusatz "12 x" weiter vorn, eine mit "18 x" noch weiter usw.
die DB Netz hat die H-Tafel vor einigen Monaten (zwischen Juni und August) ersatzlos entfernt. Ging in diesem Fall wohl sehr einfach, weil sie keine sicherheitsrelevante Funktion inne hatte. Möglich wäre noch eine Differenzierung nach Zuglänge gewesen, ähnlich wie in Dessau. Aber im konkreten Fall hätte das keinen Vorteil gebracht, da der Bahnsteig nicht mehr auf der gesamten Länge genutzt wird.