Der Bürgermeister selbstpersönlich verkündete heute quitschvergnügt: Die Strecke 6855 Köthen-Aken wird von der bitterbösen DB Netz AG an die hochkompetente Deutsche Regionaleisenbahn GmbH verpachtet. Kenner der Szene dürften wissen was das heißt. Weitere Ausführungen erspare ich mir an dieser Stelle; außer vielleicht dieser Spitze: Jeder bekommt das was er verdient. Vielleicht darf man sich dann auch bald darüber freuen, wie der blaue Teufel aus Zörbig zum Gärtner gemacht wird und als "hochprofessionelles" EVU über die Schienen knattert.
...nach der SPNV-Abbestellung und der nachfolgenden Streckeninfrastrukturausschreibung bestand doch eh nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: 1. Abgabe an einen Dritten als Streckeninfrastruktur, 2. "Verlängerung" der Anschlußbahn des Hafens Aken bis Köthen, 3. Betrieb der ehem. Strecke als Anschlußbahn oder 4. Einstellung des Betriebes der Strecke - Streckenstilllegung. Nun scheint Fall 1 eingetreten zu sein, so können, mit viel Optimismus gedacht, weiterhin auch Sonderzüge bis Aken fahren, denn es ist weiterhin eine öffentliche Infrastruktur. Regelmäßigen Personenverkehr wird es mangels Geld nicht geben und wie lange sich die DRE den Streckenunterhalt leisten kann, ist auch fraglich. Von den paar Güterzügen pro Woche kann nur eine minimalste Infrastruktur unterhalten werden. Insgesamt sind die Verschleißkosten bei Güterzügen häufig höher als die Trasseneinnahmen. Eigentlich müßte der Hafen doch sehr stark an der Gleisanbindung und der Leistungsfähigkeit (Streckenklasse) interessiert sein, denn ohne Gleisanschluß dürfte das Containergeschäft weg sein. Vielleicht gibts da einen Deal zwischen Hafen und DRE.
Zitat...nach der SPNV-Abbestellung und der nachfolgenden Streckeninfrastrukturausschreibung bestand doch eh nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: 1. Abgabe an einen Dritten als Streckeninfrastruktur
Es gab drei Interessenten für die Übernahme der Infrastruktur. Einer davon ist die DRE. Bedauerlicher Weise hat sich ein Bieter frühzeitig wieder zurückgezogen, der Zweite hat wohl länger verhandelt, ist aber aufgrund der Forderungen der DB Netz nicht bereit gewesen solch ein betriebswirtschaftliches Wagnis einzugehen.
Zitat2. "Verlängerung" der Anschlußbahn des Hafens Aken bis Köthen
Auch das war im Gespräch, da man seitens der Stadt den Zugriff auf die Infrastruktur nicht an Dritte abgeben wollte. Es gab ellenlange Verhandlungen zwischen den Hafenbetrieben Aken und der DB Netz AG, die genau so erflogreich geführt wurden, wie die Verhandlungen mit der DB Immobilien zum Erwerb des Empfangsgebäudes... Geplant war, dass der Hafen die Strecke auf eine Laufzeit von 25 Jahren pachtet und den Betrieb selbstständig abwickelt. Aber, wie das in Aken nunmal so ist, auch dafür war man seitens der Stadt Aken nicht bereit zu investieren. Denn: man hätte die Infrastruktur selbst bewirtschaften und betreiben müssen. (Geplant war auch, die Traktionsleistungen zwischen Aken und Köthen nicht mehr über externe EVU einzukaufen, aber den Schritt selbstständig Streckenfahrten zu absolvieren, hat man aus Angst dann doch nie gewagt). Letztendlich scheiterten die Verhandlungen an den nach §9 BSWAG fälligen Rückzahlungsverpflichtungen.
Zitat4. Einstellung des Betriebes der Strecke - Streckenstilllegung
Keine realistische Option, das hätte das Land mit allen Mitteln verhindert. Ansonsten hätte die Stadt eine enorme Summe an Hafenausbaumitteln zurückzahlen müssen. Dafür hat dies erstens zu wenig Geld und zweitens ist der Hafen für die mitteldeutsche Region dann doch zu bedeutend.
ZitatNun scheint Fall 1 eingetreten zu sein, so können, mit viel Optimismus gedacht, weiterhin auch Sonderzüge bis Aken fahren, denn es ist weiterhin eine öffentliche Infrastruktur.
Die Frage ist: Wie lange noch und zu welchen Konditionen. Wenn ich daran denke, wie dieses Unternehmen mit seiner Infrastruktur umgeht, habe ich da ernsthafte Bedenken. Schon alleine was die aus der Infrastruktur rausquetschen werden, wird schon gewisse Auswirkungen auf den Betriebsablauf haben. Und sollte man das Betriebsverfahren wirklich umstellen und die Betriebsstellen auflassen, kann man sich Sonderzugbetrieb auch schon fast sparen. Der Zustand der Infrastruktur wird in Zukunft garantiert nicht besser werden.
ZitatRegelmäßigen Personenverkehr wird es mangels Geld nicht geben
Sei dir da mal nicht so sicher, bisher hat das Unternehmen Vetter immer einen Weg gefunden, seinen Willen zu bekommen. Und genug "Fachplaner" im Landkreis ABI haben für diesen Verein ein offenes Ohr. Einzig positv ist die Aussage der Nasa, kein Geld für dieses Projekt auszugeben.
ZitatVon den paar Güterzügen pro Woche kann nur eine minimalste Infrastruktur unterhalten werden. Insgesamt sind die Verschleißkosten bei Güterzügen häufig höher als die Trasseneinnahmen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Güterverkehrsaufkommen entwickeln wird. Problem war bis jetzt, dass der Hafen wegen der Ausschreibung keine langfristigen Verträge eingehen wollte. Da diese Kuh vom Eis ist, wäre nun eine weitere wirtschaftliche Expansion denkbar. Was daraus letztendlich wird, bleibt abzuwarten, schließlich ist auch hier die Stadt der Entscheidungsträger, und da sitzen nicht sehr viel kompetente Leute.
ZitatEigentlich müßte der Hafen doch sehr stark an der Gleisanbindung und der Leistungsfähigkeit (Streckenklasse) interessiert sein, denn ohne Gleisanschluß dürfte das Containergeschäft weg sein.
Gegenwärtig ist die Streckenklasse ausreichend hoch (CM4 Radsatzlast 21Tonnen, 8t/m) und für jegliche Art von Verkehren. Natürlich müsste die Stadt Interesse am Bahnanschluss haben, aber betrachten wir das doch mal rückblickend: Auch am Erhalt des SPNV hätte man Interesse haben müssen - das hatten aber sowohl die Stadt als auch der Landkreis nicht und haben den jtzigen Schlamassel erst eingebrockt. Letztere beide stellen sich nun wieder hin als wäre das alles unvorhersehrbar gewesen - aber selbst das stimmt ja auch nicht, schließlich hatte man mit der DB Netz einen Dreijahres-Rahmenvertrag, dessen Auslaufdatum bekannt war, genau so war bekannt, wie DB Netz nach Vertragsende mit der Strecke verfahren wird. Und das ist mehr als scheinheilig, das ist eckelhaft. Solche Politiker, die dermaßen unfähig sind, sollte man schnellstens aus dem Amt entfernen. Un vom Landkreis braucht man eh nichts erwarten, alles was nicht im Speckgürtel von Bitterfeld liegt oder irgendwie mit Vetter zu tun hat, wird dort mit keiner Priorotät gewürdigt.
Aber was reg ich mich auf - man hat sich ja nur jahrelang ehrenamtlich um den Bahnhof und den Sonderzugverkehr gekümmert. Ein Dankeschön hat man von der Stadt nie bekommen, stattdessen ging fast regelmäßig irgendwas schief, wenn man mit dieser zusammenarbeitete. Und fairen Wettbewerb gibt es in diesem Landkreis ja auch nicht, wie der Landesrechnungshof festgestellt hat. Also was wundert einem in dieser Bananenrepublick eigentlich überhaupt noch...
danke für die ausführliche Beschreibung der Situation im Vorfeld der Übergabe der Strecke an die DRE. Letztendlich bestätigt dies die von mir aufgezeigten theoretischen Varianten. Wenn die lokale Politik, inkl. Hafenbetreiber den Ernst der Lage durch die Infrastrukturabgabe nicht begriffen hat, kann man denen auch nicht helfen. Insofern kann man eigentlich noch froh sein, daß die DRE sich gefunden hat. Allerdings ist die öffentliche Strecke auf Dauer wohl nicht sicher. Ich gehe bei ersten Oberbauschäden, BÜ-Defekten u.ä. von einer Umwidmung in eine Anschlußbahn oder ein Bahnhofsnebengleis aus. Mehr geben die Einnahmen aus 1. Güterzügen und der 2. geringen Zugzahl nicht her. Ob der Gleisanschluß wirklich über die Existenz des Hafens entscheidet bezweifle ich - in der Regel läuft alles per Lkw und der reine Containerumschlag kann auch an anderen Orten stattfinden. Eher wirkt sich der Wasserstand der Elbe aus. Wenn der Hafen in Halle wirklich zuverlässig per Staustufen erreichbar sein sollte, sind die kleinen Häfen Aken und Roßlau weg.